Neue gesetzliche Mindestlöhne;
Neuregelungen in der Fleischindustrie; Besserer Schutz bei der Gestellung von Unterkünften; Neue Sachbezugswerte; Neues Arbeitnehmer-Entsendegesetz; Nettolohnbedingungen 2020 (Werkvertragsverfahren); Verlängerte Westbalkanregelung
Zum Jahresbeginn sind einige rechtliche Neuregelungen in Kraft getreten, die es in der betrieblichen Praxis zu berücksichtigen gilt.
A. Neue gesetzliche Mindestlöhne
I. Allgemein
Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn in Deutschland, der pro Zeitstunde zu zahlen ist, beträgt derzeit 9,35 Euro brutto.
Auf Empfehlung der Mindestlohnkommission hat das Bundeskabinett am 28. Oktober 2020 auf Grundlage des Mindestlohngesetzes (MiLoG) die Dritte Mindestlohnanpassungsverordnung beschlossen. Die gesetzliche Lohnuntergrenze steigt ab Beginn dieses Jahres halbjährlich von zunächst € 9,50 zum 01. Januar 2021 auf € 10,45 ab 01. Juli 2022.
Die Verordnung sieht folgende Stufen vor:
Ab 01.01.2021: € 9,50
Ab 01.07.2021: € 9,60
Ab 01.01.2022: € 9,82
Ab 01.07.2022: € 10,45
Die Mindestlohnkommission berät alle zwei Jahre über die Anpassungen der Höhe des Mindestlohns. Für die Entscheidung über die Anpassung des Mindestlohns prüft die Mindestlohnkommission in einer Gesamtabwägung, welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem angemessenen Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen und Beschäftigung nicht zu gefährden. Dabei orientiert sich die Mindestlohnkommission nachlaufend an der Tarifentwicklung (§ 9 Absatz 2 MiLoG).
II. Arbeitnehmerüberlassung
Am 01. September 2020 trat die Vierte Verordnung über die Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung in Kraft, die neue Mindeststundenentgelte für Leiharbeitnehmer vorsieht.
Das Mindeststundenentgelt beträgt in
- Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen:
vom 01.09.2020 bis zum 30.09.2020 € 9,88
vom 01.10.2020 bis zum 01.03.2021 € 10,10
- in den übrigen Bundesländern:
vom 01.09.2020 bis zum 31.03.2021 € 10,15
Es gilt dabei das Mindeststundenentgelt des Arbeitsortes. Auswärtig beschäftigte Arbeitnehmer behalten den Anspruch auf das Entgelt ihres Einstellungsortes, soweit dieses höher ist.
Ab dem 01. April 2021 wird im gesamten Bundesgebiet eine einheitliche Lohnuntergrenze von € 10,45 gelten. Zum 01. April 2022 ist eine weitere Erhöhung vorgesehen. Das Mindeststundenentgelt wird ab dem 01. April 2022 für alle Leiharbeitnehmer einheitlich € 10,88 pro Stunde betragen.
Auch ausländische Verleiher, die Leiharbeitnehmer grenzüberschreitend an Entleiher in Deutschland überlassen, sind verpflichtet, die durch die Vierte Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung vorgeschriebenen Mindeststundenentgelte einzuhalten.
Außerdem wurde in der Verordnung festgelegt, dass das Arbeitszeitkonto höchstens 200 Plusstunden umfassen darf. Zur Beschäftigungssicherung kann das Arbeitszeitkonto bei saisonalen Schwankungen im Einzelfall bis zu 230 Plusstunden umfassen. Beträgt das Arbeitszeitguthaben mehr als 150 Plusstunden, ist der Verleiher verpflichtet, die über 150 Stunden hinausgehenden Plusstunden einschließlich der darauf entfallenden Sozialversicherungsabgaben gegen Insolvenz zu sichern und die Insolvenzsicherung nachzuweisen. Ohne diesen Nachweis darf das Arbeitszeitguthaben höchstens 150 Plusstunden umfassen.
B. Neuregelungen in der Fleischindustrie
I. Reform des Arbeitnehmereinsatzes
Über die Änderungen beim Einsatz von Arbeitnehmern in Betrieben der Fleischwirtschaft durch die Regelungen des Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) hatten wir bereits in unserem Spezial-Newsletter vom 30. Juli 2020 informiert. Zwischenzeitlich hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein Merkblatt mit Datum vom 30. Juli 2020 herausgegeben. Dort werden Fragen zum Thema einer möglichen Umgehung des Arbeitsschutzkontrollgesetzes, beispielsweise durch Gründung von Tochtergesellschaften, aufgezeigt und beantwortet.
Wie zu erwarten war, hat der Bundesrat am 18. Dezember 2020 dem Arbeitsschutzkontrollgesetz zugestimmt, das der Bundestag nur zwei Tage zuvor verabschiedet hatte. Zwischenzeitlich hat Bundesverfassungsgericht mehrere Anträge auf einstweilige Anordnungen abgelehnt, mit denen verhindert werden sollte, dass Teile des am 30. Dezember 2020 verkündeten Arbeitsschutzkontrollgesetzes zum 01. Januar 2021 in Kraft treten.
Das Gesetz bringt unter anderem Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie auf den Weg. Im Kerngeschäft der Fleischwirtschaft – also bei der Schlachtung, Zerlegung und Verarbeitung von Fleisch – wird künftig kein Fremdpersonal mehr eingesetzt werden: weder über Werk- noch über Leiharbeitsverträge.
Ausnahmen sind für Handwerksbetriebe vorgesehen, die weniger als 49 Personen beschäftigen. Zur Abdeckung saisonaler Auftragsspitzen sieht das Gesetz überdies vor, dass durch Tarifverträge für tarifgebundene Entleiher im Bereich der Fleischverarbeitung Arbeitnehmerüberlassung bis zu einer Quote von acht Prozent zugelassen werden kann. Am 01. April 2024 tritt diese Möglichkeit außer Kraft.
Die Aufzeichnung der Arbeitszeit darf in der Fleischwirtschaft nur noch elektronisch erfolgen, um Missbräuchen vorzubeugen.
Die Unterbringung von Personal in Gemeinschaftsunterkünften muss in Zukunft branchenübergreifenden Mindeststandards genügen.
Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz ziehen deutlich höhere Bußgelder nach sich.
Das Gesetz stärkt zudem den Arbeitsschutz und die Effizienz der Kontrollen. Es sieht dazu eine jährliche bundesweit einheitliche Mindestbesichtigungsquote vor, die sich bis zum Jahr 2026 schrittweise steigert, so dass die Länder Vorbereitungszeit zur Umsetzung haben. Eine neue Bundesfachstelle in der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin soll Arbeitsschutzaufgaben und Kompetenzen bündeln.
Die Corona-Krise hat das Augenmerk erneut auf unzureichende Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie gelenkt. In die Kritik geraten waren insbesondere Verstöße gegen das Arbeitszeitrecht, Kettenarbeitsverträge durch Subunternehmer mit unklaren Verantwortlichkeiten, Schwarzarbeit, ausbeuterische Einbehalte für Miete und Arbeitsausrüstung sowie mangelhafte, aber teure Gemeinschaftsunterkünfte.
Im Gesetzesbeschluss hat der Bundestag einige Ergänzungen aufgegriffen, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 18. September 2020 vorgeschlagen hatte. So hat er neben einigen Korrekturen und Klarstellungen etwa eine Verpflichtung der Arbeitsschutzbehörden der Länder und der Unfallversicherungsträger zu einem wechselseitigen elektronischen Austausch bestimmter Erkenntnisse aufgenommen, die bei Betriebsbesichtigungen gewonnen werden.
Auch hat er auf Vorschlag der Länderkammer einen zusätzlichen Bußgeldtatbestand für das nicht angemessene Bereitstellen einer Unterkunft und eine hinreichend bestimmte geregelte Einsichtsbefugnis der Arbeitsschutzbehörden in Arbeitszeitaufzeichnungen geschaffen.
II. Dokumentationspflichten
Mit Wirkung ab dem 06. Juli 2020 wurden in der niedersächsischen Corona-Verordnung (Niedersächsische Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020) bereits Dokumentationspflichten für Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen eingeführt, in denen überwiegend geschlachtet oder Fleisch verarbeitet wird (Betriebe der Fleischwirtschaft) sowie in Betrieben und selbständigen Betriebsabteilungen, die ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen überwiegend in Betriebe der Fleischwirtschaft einsetzen. Hierzu wurde in § 10 der Niedersächs. Corona-Verordnung betreffend Regelungen zur Berufsausübung ein neuer Absatz vier eingefügt, der Unternehmen im Sinne des § 6 Absatz 10 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes zur Dokumentation des eingesetzten Personals verpflichtet. Die vorgenannte Vorschrift des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) betrifft Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, in denen überwiegend geschlachtet oder Fleisch verarbeitet wird (Betriebe der Fleischwirtschaft), sowie Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen überwiegend in Betrieben der Fleischwirtschaft einsetzen. Das Schlachten umfasst dabei alle Tätigkeiten des Schlachtens und Zerlegens von Tieren mit Ausnahme von Fischen. Die Verarbeitung umfasst alle Tätigkeiten der Weiterverarbeitung von beim Schlachten gewonnenen Fleischprodukten zur Herstellung von Nahrungsmitteln sowie deren Portionierung und Verpackung. Nicht erfasst ist die Verarbeitung, wenn die Behandlung, die Portionierung oder die Verpackung beim Schlachten gewonnener Fleischprodukte direkt auf Anforderung des Endverbrauchers erfolgt.
Die von § 10 Absatz 4 Niedersächs. Corona-Verordnung erfassten Unternehmen müssen von jeder Arbeitnehmerin und jedem Arbeitnehmer und von jeder bei ihnen eingesetzten Person den Familiennamen, den Vornamen, die vollständige Anschrift, unter der die jeweilige Person während ihrer Tätigkeit im Inland regelmäßig anzutreffen ist, und, soweit vorhanden, eine Telefonnummer der jeweiligen Person dokumentieren und die Daten für die Dauer von drei Wochen nach Beendigung der Tätigkeit aufbewahren, damit eine etwaige Infektionskette nachvollzogen werden kann. Diese Dokumentation ist Voraussetzung für den Einsatz dieser Person. Die Dokumentation ist dem zuständigen Gesundheitsamt auf Verlangen vorzulegen. Spätestens einen Monat nach Beendigung der Tätigkeit der betreffenden Person müssen die Daten dieser Person gelöscht werden.
Ein Verstoß gegen die Dokumentationspflichten ist eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld geahndet werden.
Nach aktuellem Stand tritt die Verordnung mit wenigen Ausnahmen mit Ablauf des 12. Juli 2020 außer Kraft. Denkbar ist jedoch eine Verlängerung der Dokumentationspflichten.
C. Besserer Schutz bei der Gestellung von Unterkünften
I. Allgemeine Anforderungen des Arbeitsschutzkontrollgesetzes
Mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz sollen die Durchsetzung und der Vollzug von Regelungen zum Arbeitsschutz verbessert werden. Neben dem vieldiskutierten Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischwirtschaft wird branchenübergreifend die Festlegung besonderer Anforderungen an die Bereitstellung von Unterkünften durch den Arbeitgeber vorgesehen.
II. Gestellung von Unterkünften
Arbeitgeber können durch die Verordnung der Bundesregierung verpflichtet werden, für bestimmte Beschäftigte angemessene Unterkünfte bereitzustellen, sofern dies „aus Gründen von Sicherheit, zum Schutz der Gesundheit oder aus Gründen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit“ erforderlich ist. Die Pflicht zur Bereitstellung der Unterkünfte gilt insbesondere dann, wenn Beschäftigte für die Arbeitsaufnahme auf die Bereitstellung von Unterkünften durch den Arbeitgeber angewiesen sind – beispielsweise, weil sie aufgrund von Sprachbarrieren nicht in der Lage sind, sich selbständig einen adäquaten Wohnraum zu beschaffen.
Auch ohne eine entsprechende Verordnung besteht bereits ab dem Inkrafttreten der Gesetzesänderungen eine Pflicht zur Bereitstellung von angemessenen Gemeinschaftsunterkünften, wenn im Zusammenhang mit der Anwerbung oder Entsendung zur zeitlich befristeten Erbringung einer vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung die Bereitstellung oder Vermittlung einer Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften in Aussicht gestellt wurde und zu erwarten ist, dass der Beschäftigte die Verpflichtung zur Erbringung seiner Arbeitsleistung anderenfalls nicht eingegangen wäre. Der Arbeitgeber ist zur Sicherstellung der Angemessenheit der Unterkünfte auch dann verpflichtet, wenn die Gemeinschaftsunterkünfte auf Veranlassung des Arbeitgebers durch Dritte zur Verfügung gestellt werden.
„Gemeinschaftsunterkünfte“ sind dabei Unterkünfte innerhalb oder außerhalb des Geländes eines Betriebes oder einer Baustelle, die den Beschäftigten durch den Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung durch Dritte entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, von mehreren Beschäftigten und insgesamt von mindestens vier Personen gemeinschaftlich genutzt werden sowie zeitlich befristet für die Dauer der Erbringung der Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden.
Ergänzend besteht eine Dokumentationspflicht betreffend die Gemeinschaftsunterkünfte, um so die Möglichkeit der Kontrolle der Unterkünfte zu verbessern. Ab Beginn der Bereitstellung sind Adressen der Gemeinschaftsunterkünfte, Unterbringungskapazitäten sowie die Zuordnung der untergebrachten Beschäftigten zu den Gemeinschaftsunterkünften einschließlich des zugehörigen Zeitraums der Unterbringung der jeweiligen Beschäftigten zu dokumentieren. Eine bestimmte Form ist für die Dokumentation nicht vorgesehen. Die Dokumentation soll mindestens bis vier Wochen nach der Beendigung der Unterbringung aufbewahrt werden müssen.
Werden Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz tätig, kann die zuständige Behörde von den Arbeitgebern oder von den verantwortlichen Personen verlangen, dass das Ergebnis der Abstimmung über die zu treffenden Maßnahmen schriftlich vorgelegt wird. Damit wird den Arbeitsschutzbehörden bei Werkvertragskonstellationen die Befugnis gegeben, eine schriftliche Arbeitsschutzvereinbarung zu verlangen, in der sich Auftraggeber und Werkvertragsunternehmer entlang der Gefährdungsbeurteilung auf die notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen verständigen und die Verantwortlichkeiten festlegen.
D. Neue Sachbezugswerte (ab 01. Januar 2021)
Die Anpassung der Sachbezugswerte erfolgt jährlich durch eine Änderungsverordnung, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Zustimmung des Bundesrates erlässt. Mit der Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung werden die Werte für die Sachbezüge für das Jahr 2021 auf Grundlage der zum 30. Juni 2020 maßgebenden Verbraucherpreisentwicklung angepasst.
Die Anpassung betrifft die Werte, die für vom Arbeitgeber kostenlos zur Verfügung gestellte Verpflegung und Unterkunft angesetzt werden und die bei der Verbeitragung des Arbeitsentgelts zu berücksichtigen sind. Ab 1. Januar 2021 wird der Monatswert für die Verpflegung von 258 Euro auf 263 Euro angehoben. Der Wert für die Unterkunft oder die Mieten erhöht sich von 235 auf 237 Euro und Wert für die Wohnung wird von 4,12 Euro je Quadratmeter auf 4,16 Euro je Quadratmeter und bei einfacher Ausstattung von 3,37 Euro je Quadratmeter auf 3,40 Euro je Quadratmeter angehoben.
Der Bundesrat hat bei der Bundesratssitzung am 27. November 2020 die Zustimmung zum Erlass der Verordnung betreffend die Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung erteilt, so dass die Erhöhung seit dem 01. Januar 2021 gilt.
E. Neues Arbeitnehmer-Entsendegesetz
I. Überblick
Nachdem das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/957 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen vom 10. Juli 2020 am 16. Juli 2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, sind die mit diesem Gesetz beschlossenen Änderungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes zum 30. Juli 2020 in Kraft getreten. Zwischenzeitlich hat der EuGH hat mit seinen Urteilen vom 8. Dezember 2020 die Klagen Ungarns (Rechtssache C-620/18) und der Republik Polen (Rechtssache C-626/18) auf Nichtigerklärung der Richtlinie (EU) 2018/957 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen in vollem Umfang abgewiesen.
Mit dem Gesetz werden bei einer grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitnehmern die Arbeitnehmerrechte gestärkt. Bei langfristigen Entsendungen gilt zukünftig bis auf wenige Ausnahmen das deutsche Arbeitsrecht.
II. Rahmenbedingungen
Seit der Änderung gelten folgende Rahmenbedingungen:
1. Mindestarbeitsbedingungen
Nach dem Mindestlohngesetz und dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz sind Mindestarbeitsbedingungen einzuhalten. Dabei sind zum einen die allgemeinen Arbeitsbedingungen einzuhalten, die in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften festgelegt sind und von Arbeitgebern mit Sitz im In- oder Ausland den in Deutschland Beschäftigten, unabhängig von der Branche in der sie tätig sind, gewährt werden müssen. Weiterhin sind branchenspezifisch zu zahlende tarifliche Mindestlöhne und über den Mindestlohn hinausgehende Entlohnungsbestandteile zu beachten.
2. Arbeitsbedingungen bei Langzeitentsendungen
Daneben sind Arbeitsbedingungen bei Langzeitentsendungen zusätzlich zu beachten, wenn eine Beschäftigung in Deutschland länger als zwölf (bzw. bei Verlängerung längstens achtzehn) Monate erfolgt. Es gelten dann alle in Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie alle in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen geregelten Arbeitsbedingungen mit Ausnahme der Verfahrens-und Formvorschriften sowie Bedingungen, die den Abschluss oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses betreffen, einschließlich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote sowie die Vorschriften über die betriebliche Altersversorgung
Der Zeitraum, ab dem nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) die zusätzlichen Vorschriften für eine Langzeitbeschäftigung in Deutschland gelten, kann von zwölf auf achtzehn Monate verlängert werden. Dafür muss der Arbeitgeber nach § 13b Absatz 2 AEntG eine Mitteilung gegenüber den Behörden der Zollverwaltung abgeben. Die Mitteilung muss im Gesetz näher geregelte Anforderungen erfüllen, u.a. in Textform nach § 126 b des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erfolgen. Die Mitteilung kann unterschrieben werden, dies ist aber nicht zwingend, solange der Urheber erkennbar ist. Die Mitteilung kann auch als E-Mail erfolgen.
Nach § 1 der Verordnung zur Bestimmung der zuständigen Behörde bei Mitteilungen und Anmeldungen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz muss die Mitteilung gegenüber der Generalzolldirektion erfolgen. Es wird von den Zollbehörden empfohlen, die Mitteilung an folgende E-Mail-Adresse zu senden: mitteilung.langzeitentsendung@zoll.de
In einer E-Mail können bei Bedarf auch mehrere Mitteilungen nach § 13b Absatz 2 AEntG gleichzeitig abgegeben werden.
Ist die Mitteilung an die vorstehende Adresse geleitet, soll der Absender der Mitteilung eine Bestätigung über den Eingang der Mitteilung erhalten. Wichtig ist es, die Bestätigung aufbewahren, da im Streitfall bewiesen werden muss, dass und mit welchem Inhalt die Mitteilung abgegeben wurde.
Der Zoll weist darauf hin, dass die Generalzolldirektion die eingegangene Mitteilung nicht aufbewahrt. Weiter wird darauf hingewiesen, dass bei dem Eingang mehrerer E-Mails von der gleichen Adresse innerhalb einer Stunde aus technischen Gründen lediglich der Erhalt der ersten E-Mail bestätigt wird. Es sollte daher innerhalb einer Stunde nur eine E-Mail versendet werden.
Hat die Beschäftigung in Deutschland vor dem 30. Juli 2020 begonnen, muss keine Mitteilung abgegeben werden, da diese durch die Fiktion des § 25 Absatz 2 Satz 2 AEntG bereits als abgegeben gilt.
3. Einzuhaltende Tarifverträge
Zudem sind in den verschiedenen Branchen die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge zu beachten, in denen einzuhaltende Arbeitsbedingungen bei Langzeitentsendungen geregelt sind.
F. Nettolohnbedingungen 2020 (Werkvertragsverfahren)
Die von der Bundesagentur für Arbeit aktualisierten Nettolöhne für die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer auf der Grundlage von Werkverträgen wurden mit Stand Juli 2020 veröffentlicht.
Im Rahmen des bei der Arbeitsagentur Stuttgart zu führenden Antragsverfahrens müssen von den entsendenden Unternehmen die Löhne angeben werden, die sie ihren Arbeitnehmern nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge für den Einsatz im Bundesgebiet zahlen. Hierzu hat die Bundesagentur für Arbeit den Vordruck ”Erklärung zum Werkvertrag” erstellt, auf dem die Nettolöhne bestätigt werden müssen.
Bei dem Lohnvergleich werden die erklärten Nettolohnbedingungen dem für vergleichbare Tätigkeiten zugrunde zu legenden deutschen Tariflohn nach Abzug der deutschen Steuer- und Sozialabgaben gegenübergestellt. Dieser Lohnvergleich ist nur erforderlich, wenn eine Entsendung nach einer Regierungsvereinbarung erfolgt. Momentan existieren entsprechende Regierungsvereinbarungen mit Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Serbien und der Türkei.
Die Agentur für Arbeit Stuttgart prüft im Rahmen des Zulassungsverfahrens die Einhaltung der Lohnbedingungen. Die Nettolöhne in ausgewählten Wirtschaftszweigen können dem Merkblatt der Bundesagentur für Arbeit zu den Nettolohnbedingungen 2020 (Anlage) entnommen werden. In der Broschüre sind ebenfalls Hinweise zur Berechnung des Lohnes enthalten.
Nicht alle Branchen bzw. Wirtschaftszweige, in denen Werkvertragsarbeitnehmer tätig werden, sind in der Übersicht über tarifliche Nettolöhne aufgelistet. Wenn eine Branche fehlt, sollte sich der betreffende Unternehmer vor Abschluss des Werkvertrags an die Agentur für Arbeit Stuttgart wenden. Denn nur so kann bei der Kalkulation des Werklohns sichergestellt werden, dass die von der Behörde herangezogenen Vergleichslöhne nicht höher als gedacht sind.
Achtung: Die Nettolöhne 2020 sind auch für laufende Werkverträge sowie für Nachträge (Verlängerungs-/Gewährleistungsarbeiten) zu zahlen.
G. Westbalkanregelung (bis 31. Dezember 2023)
Die in § 26 Absatz 2 Beschäftigungsverordnung (BeschV) vorgesehene Möglichkeit, Visa zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bei inländischen Arbeitgebern für Staatsangehörige aus bestimmten Staaten des westlichen Balkans (u.a. Bosnien und Herzegowina sowie Serbien) zu erteilen –die sogenannte „Westbalkanregelung“ –war ursprünglich bis zum 31. Dezember 2020 befristet.
Der Bundesrat hat am 09. Oktober 2020 einer Verordnung der Bundesregierung zugestimmt, mit der die sogenannte Westbalkanregelung bis Ende 2023 verlängert wird. Sie tritt am 01. Januar 2021 in Kraft.
Mit der Regelung können Arbeitskräfte aus den Westbalkanstaaten unabhängig von ihrer formalen Berufsqualifikation von Arbeitgebern mit Sitz in Deutschland befristet eingestellt werden. Anerkennungsverfahren sind nur erforderlich, wenn sie berufsrechtliche Voraussetzung für eine reglementierte Tätigkeit sind.
Eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist als Voraussetzung für die Erteilung des Visums zur Arbeitsaufnahme erforderlich. Im Rahmen des Zustimmungsverfahrens wird eine sogenannte Vorrangprüfung durchgeführt. Danach dürfen für den Arbeitsplatz keine Bevorrechtigten (Deutsche, Deutschen gleichgestellte Ausländer oder freizügigkeitsberechtigte Staatsangehörige der EU) zur Verfügung stehen. Auch müssen die Beschäftigungsbedingungen gleichwertig sein, was ebenfalls von der BA geprüft wird.
Die Verordnung der Bundesregierung sieht vor, dass die Bundesagentur höchstens 25.000 solcher Zustimmungen pro Jahr erteilen darf. Dies soll insbesondere eine Überlastung der für die Vergabe von Visa zuständigen Stellen verhindern.
Wir wünschen Ihnen einen guten Start in das Neue Jahr.
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