Mandanteninformation „Fleischindustrie“ vom 30. Juli 2020:

Bundesregierung verbietet Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung im Kerngeschäft der Fleischindustrie

Das Bundeskabinett hat am 30. Juli 2020 mit dem Gesetz zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) Regelungen beschlossen, um Ausbeutung von Beschäftigten in der Fleischindustrie zu verhindern.

A.  ÜBERBLICK

Damit einher geht unter anderem ein Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung im Kerngeschäft der Fleischindustrie. In anderen Bereichen sind danach Werkverträge aber weiter möglich. Das Gesetz soll geordnete und sichere Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie herstellen. Darüber hinaus legt es bundesweit einheitliche Regeln zur Kontrolle der Betriebe und zur Unterbringung der Beschäftigten auch in anderen Branchen fest.

Das Gesetzespaket muss aber noch den Bundestag und den Bundesrat passieren.

B.  ECKPUNKTE DER REFORM

Insbesondere sind folgende Maßnahmen im Gesetz vorgesehen.

I.  Verbot von Fremdpersonal im Kerngeschäft der Fleischindustrie

Es wird verboten, Fremdpersonal im Kerngeschäft der Fleischindustrie einzusetzen. Der Schlachthofbetreiber ist für alle Arbeitnehmer in seinem Kerngeschäft (Schlachtung, Zerlegung und Verarbeitung) zuständig. Dies gilt für

  • Werkverträge ab dem Januar 2021,
  • Leiharbeit (Arbeitnehmerüberlassung) ab dem 01. April 2021.

Ausgenommen hiervon sind nur Unternehmen des Fleischerhandwerks mit bis zu 49 tätigen Personen.

II.  Kontrollen

Es werden für die Bundesländer einheitliche verbindliche Kontrollquoten gelten und es soll Schwerpunktkontrollen in Risikobranchen geben. Durchgeführt werden die Kontrollen durch die Arbeitsschutzbehörden.

III.  Unterbringung der Beschäftigten

Für die Unterbringung der Beschäftigten gelten Mindeststandards, auch außerhalb des Betriebsgeländes.

IV.  Informationspflichten

Arbeitgeber werden verpflichtet, die zuständigen Behörden über Wohn- und Einsatzort aller Arbeitskräfte zu informieren. So werden effektivere Kontrollen möglich.

V.  Arbeitszeiterfassung

Um die Einhaltung der Mindestlohnvorschriften der Beschäftigten wirksam zu überprüfen, gilt eine Pflicht zur digitalen Arbeitszeiterfassung in der Fleischindustrie.

VI. Sanktionen

Bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz drohen künftig höhere Bußgelder. Der entsprechende Rahmen wird von 15.000 Euro auf 30.000 Euro verdoppelt.

VII.  Ausschusseinrichtung

Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales soll ein Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit gebildet werden, um u.a. Regeln und Erkenntnisse zu ermitteln, wie die rechtlichen Anforderungen erfüllt werden können.

C.  PROBLEMPUNKTE

Auf folgende Umgehungsmöglichkeiten wird hingewiesen.

I.  Konzerne, Tochtergesellschaften, Betriebsgröße

Ein Unternehmer der Fleischindustrie darf nur noch mit eigenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schlachten sowie Fleisch zerlegen und verarbeiten. Ein Tätigwerdenlassen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Dritter in diesem Unternehmen wird künftig im Bereich des Schlachtens, Zerlegens und der Weiterverarbeitung von Fleisch grundsätzlich nicht mehr möglich sein. Dritte in diesem Sinne sind auch Tochterunternehmen. In der Gesetzesbegründung wird klargestellt, dass die Einschränkungen des Fremdpersonaleinsatzes auch innerhalb von Konzernen oder Unternehmensgruppen in der Fleischindustrie gelten.

Die Bereichsausnahme für das Fleischerhandwerk setzt wiederum voraus, dass der Unternehmer einen Betrieb selbst handwerksmäßig betreibt, in die Handwerksrolle eingetragen ist und in der Regel maximal 49 Personen (einschließlich Fremdpersonal) tätig werden lässt. Nur dann gelten für ihn und ggf. ein Tochterunternehmen (ebenfalls mit bis zu 49 in der Regel tätigen Personen) die Einschränkungen des Fremdpersonaleinsatzes nicht.

Der Gesetzentwurf für das Arbeitsschutzkontrollgesetz stellt sicher, dass die Einschränkungen des Fremdpersonaleinsatzes auch innerhalb von Konzernen und Unternehmensgruppen in der Fleischindustrie gelten. Tochtergesellschaften dürfen im Bereich des Kerngeschäfts kein eigenes Personal in fremden Betrieben tätig werden lassen. Der Betriebsinhaber ist dann für alle in seinem Betrieb im Bereich des Kerngeschäfts tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verantwortlich.

II.  Kooperationen

Der Gesetzentwurf verbietet Kooperationen zweier oder mehrerer Unternehmer der Fleischwirtschaft, soweit dies zur Vermeidung von Umgehungsstrategien erforderlich ist.

So können etwa Handwerksunternehmer im Sinne des Gesetzentwurfs beispielsweise weiter Fremdpersonal einsetzen.

Auch Unternehmern der Fleischindustrie werden Kooperationen nicht generell verboten. Soweit die Unternehmer ihre Betriebe unabhängig voneinander führen, sind – auch in den Bereichen der Schlachtung und Fleischverarbeitung – Kooperationen erlaubt. Beispielsweise kann bei einem pandemiebedingten Lock-Down eines Unternehmens A ein anderer Unternehmer B, der in eigenen Betrieben mit eigenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern produziert, mit der Schlachtung und Fleischverarbeitung beauftragt werden.

Wenn aber die konkreten Arbeitsabläufe in Produktionsverbünden für zwei oder mehrere Betriebe zentral gesteuert werden, muss der Inhaber des Verbunds auch Inhaber der Betriebe, in denen er die Arbeitsabläufe „von außen“ steuert, sein (§ 6a Absatz 1). Dadurch soll verhindert werden, dass Produktionsstätten in beliebig viele Betriebe untergliedert und die Betriebe von verschiedenen Subunternehmern als Betriebsinhabern mit jeweils eigenem Personal geführt werden. Unternehmer A kann also beispielsweise nicht ohne Weiteres einzelne Produktionsbereiche innerhalb seiner Betriebsstätte von seinen bisherigen Subunternehmern mit deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern betreiben lassen, selbst wenn die Subunternehmer dadurch zu Betriebsinhabern würden. § 6a Absatz 1 dient somit der Verhinderung einer Umgehung der grundsätzlich betriebsbezogenen Einschränkungen des Fremdpersonaleinsatzes.

III.  Abgrenzung zwischen handwerksmäßigem und industriellem Betrieb

Nach § 1 Absatz 2 Handwerksordnung setzt die Eintragungspflicht voraus, dass der Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wie z.B. des Fleischerhandwerks, handwerksmäßig betrieben wird. Zur Abgrenzung zwischen einem handwerksmäßigen und einem industriellen Betrieb ist nach der Rechtsprechung eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen, bei der insbesondere folgende Kriterien relevant sein können:

  • fachliche Qualifikation der Mitarbeiter;
  • Grad der Arbeitsteilung;
  • persönliche Mitarbeit des Betriebsinhabers;
  • Bearbeitung von Einzelaufträgen oder anonyme Massenfertigung.

In größeren Betrieben der Fleischwirtschaft dürften daher weder die Betriebsinhaber noch deren bisherige Subunternehmer in der Regel handwerksmäßig arbeiten

IV.  Konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung

Ab dem 01. April 2021 soll in der Fleischindustrie in den Bereichen der Schlachtung sowie Zerlegung und Verarbeitung von Fleisch auch die Arbeitnehmerüberlassung verboten sein. Eine Ausnahme für die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung ist nicht vorgesehen, so dass Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer insoweit auch nicht aus anderen Konzerngesellschaften entliehen werden können.

V.  Berechnung der Betriebsgröße

Unternehmer im Fleischerhandwerk fallen unter die Ausnahme insbesondere vom Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit, wenn sie in der Regel nicht mehr als 49 Personen tätig werden lassen.

Auch Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer (also bei Nachunternehmen tätige Arbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer), Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer sowie Selbständige sind in dieser Zahl eingeschlossen.

2 Absatz 2 stellt für die Berechnung des Schwellenwertes nicht nur auf eigene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auf alle in der Regel tätigen Personen, so dass nicht die Möglichkeit besteht, über die Einstellung von „Auszubildenden“ oder „Praktikanten“ die Höchstgrenze von 49 tätigen Personen im Handwerk zu umgehen.

Die Formulierung „in der Regel“ bedeutet, dass unter den üblichen Verhältnissen nur bis zu 49 Personen tätig werden. Die Zahl der in der Regel tätigen Personen hängt dabei von den konkreten Umständen ab. Wenn, ausgehend von den üblichen Verhältnissen, Personen nur kurzzeitig tätig werden, kann die Obergrenze überschritten werden. Wenn beispielsweise nur während vorweihnachtlicher Auftragsspitzen ein Mehrbedarf an Personal besteht, kann die maximale Personenzahl von 49 in dieser Zeit auch überschritten werden. Wenn regelmäßig oder sogar ständig Saisongeschäft anfällt, handelt es sich nicht um Auftragsspitzen. Auch das auf das Saisongeschäft entfallende Auftragsvolumen entspricht dann den üblichen Verhältnissen.

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